Kostas und Stefania

 

Wie wäre mein Anfang in Korfu gewesen ohne die Hilfe von Kosta und Stefania!

Als ich im September 1982 das erste mal auf Zivildiensturlaub nach Korfu fuhr, kam ich als erstes bei den beiden an. Damals trampte ich von Ulm über Südtirol bis nach Otranto. Denn damals fuhren die billigsten (Schrott)fähren noch von dort nach Korfu.Vom Stiefelabsatz in

Süditalien.

Es gab eine Wohngemeinschaft  in Ulm/Erlangen. Von daher kannten sich Olli mein Freund und Stefania (Steffi). Steffi war mit Ihrem früheren Freund Lothar nach Korfu gekommen und hatte sich in Kostas, einem griechischen Olivenbauern (der lange Jahre in Genf als Gastarbeiter  arbeitete) verliebt. Ja und Sie blieb dort und  beide bestellten den Hof in der Nähe vom Arillas Strand (neben dem späteren gebauten Thetis Palace Hotel oder jetzigen Mythos Center, vorher dort ein Kleefeld).

Olli besuchte Steffi 1981 und fand mit Hilfe Kostas auch das Lehmhaus in Warko, das er pachtete und das wir dann gemeinsam renovierten.

Ich kam an diesem schönen Sommertag im September mit dem Linienbus in Arillas an und fragte mich nach Kosta und Stefanias durch. In dem neuen Haus, das sich Kostas von seinen Einkünften aus Genf gebaut hatte war niemand. Eine alte Bäuerin, die Ihre Ziegen in der Nähe hütete, deutete mit dem Finger nach Norden, „Mana Kosta , Aspasia“ was auf griech. hieß: Mutter von Kosta, Name Aspasia ) Viele griechische Vornamen haben einen Sinn. In diesem Fall heißt Aspasia „die Angenehme, Erwünschte oder gern gesehene“.

 Das alte Elternhaus von Kosta war ungefähr 100 m vom neuen Haus entfernt. Ich schätze es war so kurz nach 15 Uhr nachmittags als ich am Elternhaus von Kostas  ankam. Es kam ein wundervoller Duft von griechischem Essen aus der Küche und Stimmengewirr. ( Ich muss anmerken, dass in Griechenland das Mittagessen  zwischen 14 und 16 Uhr eingenommen wird ) Anklopfen ging nicht, denn die  Küchentür war offen und nur ein riesiger Fliegenvorhang aus Plasikstreifen hinderte mich einzutreten. So stand ich da mit  meinem Freund  David aus Frankreich, den ich auf der Fähre kennengelernt hatte . „Steffi, rief ich, hallo Steffi!

Nach kurzer Zeit kam ein älterer Herr (Vater von Kostas , Takis)  in Arbeitskleidung heraus und schaute mich mit großen Augen an. Ich hatte schulterlange Haare und nachdem er  seine Verwunderung und seine Essensresten aus den Zähnen hinter sich hatte, holte er Steffi aus der Küche. Sie kannte mich ja nicht, freute sich aber trotzdem sehr, in diesem verlassenen Nest mal wieder jemanden aus Deutschland zu sehen.

„Olli ist hinten bei seinem Haus in  Warko etwa 5 km von hier entfernt. Wie ich da hinkomme? Kompliziert (richtige Straßen gab es damals noch nicht). Am besten du wartest hier , Olli kommt eigentlich jeden Abend bei mir vorbei, bevor er noch etwas Trinken geht am Strand oder bei Brouklis.“

So warteten wir im neuen Haus von Kosta. Ich hatte viel zu erzählen von Deutschland, der Wohngemeinschaft in Erlangen und und und…

Leider kam Olli diesen Abend nicht. Und so verbrachten mein Freund und ich die erste Nacht bei Steffie und Kosta und  ihrem fantastischen selbstgemachten  Hauswein.

Eine kurze Erklärung zu den griechischen Essens und Tageszeiten!

Proi-proi heißt ganz früh am morgen und bezeichnet die Tageszeit 6  bis 9 Uhr morgens

Proi heißt morgens und bez. 9 Uhr bis 11 Uhr morgens ( Frühstück: nur ein Kaffee oder Tee)

Mesimeraki heißt Mittagchen (aki ist eine Verkleinerungsform) also kleiner Mittag und bez.

11 Uhr bis 14 Uhr

Mesimeri heißt Mittag und bez. 14 bis 17 Uhr ( Mittagsessenzeit) im Sommer auch Siesta  griech. xekurasi) Zeit zum Schlafen

Apojewmataki heißt Nachmittagchen, kleiner Nachmittag und bez.17 bis 19 Uhr

Apojewma heißt Nachmittag und bez. 19 bis 21 Uhr (im Winter Abendessen)

Wradaki heißt Abendchen, kleiner Abend und bez. 21 Uhr bis 23 Uhr

Wradi heißt Abends und bez. 22 Uhr bis 0 Uhr (im Sommer ist das Abendessenzeit)

Nichta  heißt Nacht und bez. 0-3 Uhr

Mesanichta heißt Mitternacht und bez. 3 Uhr bis 6 Uhr

Alles also etwas anders  als bei uns Mitteleuropäern !

Steffie und Kostas
Steffie und Kostas

Unsere Plantage

 

Kostas Familie war eine  der vier Großbauern hier. Große Olivenhaine (500 Bäüme) ,Felder und Weinreben. Es war und ist immer noch so, dass keine „Flurbereinigung„ wie im deutschen Stil hier stattgefunden hat. Die Olivenhaine sind weit verstreut, mal da 10 Bäume, mal da 30 Bäume, je nachdem wo sich in den vielen Jahren die einzelnen  Nachfolger der Familien  verheiratet hatten. Auch mit Aussteuer (griech.Brika) hatte das sehr viel zu tun. Die Töchter einer jeden Familie bekamen bei Heirat als Mitgift entweder Geld oder Land und natürlich eine große Truhe (griech. Baoulo), fein verziert und geschnitzt, mit Leintüchern und Küchensachen drin.

Wir gehen 50 und mehr Jahre zurück. Die Mädchen einer jeden Familie (wenn ein Bruder da war als Haupterbe) bekamen das schlechtere Land. Schließlich sollte der Sohn, der dann heiratete und eine Braut (griech. Niffi) nach Hause brachte die besten Oliven behalten. Damals war Olivenöl auch als flüssiges Gold  bekannt. Der Olivenölpreis war 1982  drei mal höher als jetzt! (Erst durch die Überschussproduktion der EG und Überdüngung der  Bäume mit Kunstdünger  fiel der Preis ins Bodenlose). Nicht umsonst war Korfu fast 400 Jahre im Besitz Venedigs, deren Weltmacht sich damals auch vom guten Handel mit Olivenöl stützte!

Weiter zum Thema Bräute und Mitgift.

 Wie gesagt bekamen die Mädchen minderwertiges Land ohne Oliven, meistens in Strandnähe. Dort wuchsen allenfalls mal vielleicht ein paar Weinreben. Welch ein Segen für die folgenden Generationen dieser Bräute. Sie haben jetzt das Land mit dem meisten  Wert (Tourismus). Nahe am Strand und Meerblick. Die alten Olivenhaine, die die stolzen Brüder behielten, haben jetzt nicht einmal einen zehntel des Wertes von Grundstücken am Meer.

Wie sich doch alles im Laufe der Jahre ändert. Und vielleicht auch ein Ausgleich für die Benachteiligung der Frauen. Wenn eine Familie nur ein Mädchen als Erbin hatte bekam Sie natürlich alles.

Also wie gesagt , gab es vier Großbauern. Jede Familie hatte Ihren Spitznamen (griech. Parazukli). Denn alle vier Familien hatten den gleichen Nachnamen. Nämlich Kaloudis. In anderen Dörfern war auch das gleiche Problem mit den Nachnamen). Es gab also z.B. 10 gleiche Kostas Kaloudis, die man nur anhand des Parazuklis (Spitznamen) auseinander halten konnte oder  anhand des Vaternamens. Kostas Kaloudis tou Dimitris (Kostas Kaloudis ,Sohn des Dimitris). Aber selbst in diesem Fall konnten noch einige gleich heißen.

Der Spitznamen von Kostas war Kolios. Die anderen Großbauern hießen Athanathios Kaloudis (Spitznamen Piroulias), Georgios Kaloudis (Spitznamen Bozzis) und  Spiros Kaloudis (Spitznamen Skouriotis).

Für diese Familien arbeitete ich als Tagelöhner, hauptsächlich für Kostas und seine damalige Lebensgefährtin Stefania.

Arbeit gab es hauptsächlich wie bereits beschrieben in der  Oliven- und Weinernte und ich war froh, dass es die beiden gab. Sie halfen mir bei allem. Kostas mit seinem Pick-up Lastwagen brachte mir Einkäufe aus der Stadt und Steffie unterrichtete mich in der griechischen Sprache. Gleich im ersten Winter, 1983/84 machten mir Kostas und  Steffie einen Vorschlag: Nächsten Sommer bauen wir zusammen Tomaten  an. Wir sprechen von 3000 Tomatenpflanzen und jeweils 100 Gurken, Paprika und Auberginenpflanzen. Mir war damals nicht klar, was da auf mich zukommen sollte. Steffie meinte, “ da kann man gut Kohle machen.“ Also stimmte ich zu. Der Plan war das reife Gemüse an die Genossenschaft in Korfu Stadt zu verkaufen. (Mit Kostas altem Pick-up Baujahr Ende der 60er Jahre ) und seinen Beziehungen. Er hatte in früheren Jahren in der Stadt bei der Genossenschaft gearbeitet. Der alte blaue Pick-up war  eines der ersten   Autos im Dorf damals. Die Familie bezahlte die stolze Summe von 75000 Drachmen, wie Kosta mir erzählte. Damals (1969) ein Vermögen. Umgerechnet  ca.7000 DM.

Ich war für dieses Plantagen- Angebot heilfroh , denn meine finanzielle Situation war nicht so rosig. Es war ein Entgegenkommen von Steffie und Kosta. Schließlich stellte er seinen Acker und Auto und das notwendige Wasser (aus seinem Brunnen inkl. Pumpe ) zur Verfügung. Was ich einbrachte war meine Arbeitskraft, ohne jegliches Wissen oder Erfahrung. Es sollte trotzdem nach Abzug der Unkosten durch drei geteilt werden. Ein mehr als faires Angebot, für das ich Ihnen heute noch dankbar bin. Ich glaube für Steffie war es sehr wichtig, dass ich nach Abreise von Joschi und Olli  dablieb. Das Leben hier, ohne Freunde und als emanzipierte Frau war doch sehr  öde und mit den griechischen Einheimischen eher schwierig... Es gab als Ausländer nur Steffie, mich und die wenigen Bewohner im Winter des Ashrams in Kavadades.

Also fingen wir an. Es musste ein Gewächshaus (griech. Thermokipio) gebaut werde. Eigentlich zwei. Ein kleines (das die Wärme besser hält) für die Saatbeete, und zwar direkt an der Hauswand von Kostas Elternhaus neben dem Kaminschlot. (Wegen der Wärme).

Ein zweites größeres Gewächshaus wurde in Feldnähe errichtet. Es war für die Pflänzchen gedacht, die dort groß werden sollten bis zur Auspflanzung. Als Gerüst für die Treibhäuser nahmen wir Bambusstäbe, der überall bei dem subtropischen Klima wild wucherte.

Um die ersten zu sein (der Preis für Tomaten war um so höher, je früher wir Sie im  Frühsommer verkaufen konnten) begannen wir im Januar 1984 mit dem Bau des kleinen Gewächshauses und der Aussaat. Die Samen waren alle Hybridsorten, da zahlte man bei Einkauf pro Samenkorn! Wenn es richtig kalt wurde stellten wir  über die Nacht eine Fettalata (Blecheimer in dem der griechische Frischkäse „Fetta“ verkauft wurde) mit glühender Holzkohle vom Kamin ins Treibhaus. Da hatten die Spößlinge so richtig kuschelig warm.

Wir hatten Glück, die Samen spriesten und gedeihten. Ende  Februar/Anfang März fingen wir dann an, die kleinen  Sprösslinge umzupflanzen. Bei Tomaten ist es sehr wichtig, dass Sie zweimal verpflanzt werden. Einmal umpflanzen von den kleinen  Sprösslingen in mit Erde gefüllten Säckchen und dann später von den  Säckchen in die Erde.

Über dreitausend Säckchen (jedes Säckchen war so groß wie eine große Kaffeetasse) füllen. Was für ein Wahnsinn.

Kostas und Stefania hatten auch nicht so viel Zeit, denn sie spielten ja in der Musikgruppe Galaxis! Das hieß üben, üben und Auftritte. Griechische Volksmusik, von Sirtaki bis Korfiotische  Melodien. Steffie  spielte (auch heute noch sehr erfolgreich) Bass und Gesang,  Kostas elektrisches Piano. Zorbas pur!

Die Auftritte  fanden in den griechischen Kneipen statt.

Die Plänzchen gedeihten gut und mit zunehmender Hitze kam der Tag sie ins Freiland   auszupflanzen. Es war der 15. April 1984! Wir waren die ersten , das war schon mal gut. Wir hatten einen guten Acker, mit gutem Boden und  den ganzen Tag Sonne und ausreichend Wasser aus dem Brunnen. 

Als nächstes brauchten wir 3500 Bambusstäbe zum  Anbinden!

Also schlugen wir Bambus mit großen Macheten  und banden die Tomaten fest. Wir nutzten dazu Ginsterbäusche (griech.Spartia). Wenn man die Blätter (die eigentlich wie Stäbchen sind)  mit dem Messer glatt zog, konnte man Sie wie eine Schnur binden. Es war billiger als Bast und elastischer.

Am nächsten Tag regnete es, so sparten wir uns erstmal das Gießen und waren zufrieden über unser Werk (griech.ergo)!   

Fortsetzung folgt!